--------------------------------------------------------------- Warnung vor "illegaler Lohndrückerei" durch "1 Euro Jobs" "Träger riskieren Ärger mit der Sozialversicherung" Die Recherchegruppe im Erlanger Sozialforum hat die Rechtslage bei illegalem Missbrauch von 1 Euro Jobs recherchiert, und sieht "erhebliche rechtliche Risiken" für Träger. "Wer 1 Euro Jobs illegal missbraucht, schuldet den Betroffenen nicht nur Lohn, sondern riskiert massiven Ärger wegen Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen" warnt die Recherchegruppe. Man werde Betroffenen raten, diese rechtlichen Möglichkeiten auch zu nutzen. "Wir sprechen bewusst von illegalem Missbrauch, denn für uns ist jeder 1 Euro Job Missbrauch" betont die Recherchegruppe ihre generelle Ablehnung. Illegaler Missbrauch liege immer dann vor, wenn die Tätigkeit nicht den Bedingungen des "Hartz-Gesetzes" SGB2 entspreche. Die Tätigkeit muss "zusätzlich" und "wettbewerbsneutral" sein, darf also keine regulär bezahlte Arbeit verdrängen. Beispiele für illegalen Missbrauch wären z.B. Einsatz zum Putzen, für andere notwendige Arbeiten oder als Krankheitsvertretung. Auch Tätigkeiten, für die z.B. über Pflegesätze abgerechnet wird, hält die Recherchegruppe für tabu. Dass vom illegalen Missbrauch von 1 Euro Jobs Betroffene ihren Lohn einklagen, "wird ein Einzelfall bleiben", befürchtet die Recherchegruppe, da ein solcher Prozess finanziert und durchgestanden werden muß. Die Wahrscheinlichkeit einer Anzeige bei der Sozialversicherung sei dagegen für die Träger wesentlich höher, denn "das kostet nichts, das kann man gefahrlos über die Gewerkschaft machen, und wenn erst mal die Betriebsprüfung im Haus ist, ist es zu spät", warnt die Recherchegruppe die Träger vor der Versuchung "illegaler Lohndrückerei" durch "1 Euro Jobs". Die Recherchegruppe geht davon aus, dass das Interesse am Einsatz von 1 Euro Jobs gerade im Bereich öffentlicher Dienst und im sozialen Bereich stark zurückgehen wird, wenn illegaler Missbrauch zum "unkalkulierbaren Risiko" werde. Die um Lohn geprellten müssten nur bei der "Finanzkontrolle Schwarzarbeit (email: poststelle@hzan.bfinv.de, Tel. 0911/9463-1601) oder der Deutschen Rentenversicherung (ehemalige LVA und BVA) Anzeige erstatten. Wenn dann die Betriebsprüfung kommt, können und müssen sie allerdings als Zeugen aussagen. Den Betroffenen wird geraten, mit Datum aufzuschreiben, wielange sie wo für wen gearbeitet haben, wer sie eingeteilt hat, und was der Auftrag war. Sind sie als Krankheits- oder Urlaubsvertretung eingesetzt, sollte der Name des Vertretenen notiert werden. Auch die Namen von Zeugen seien nützlich, denn "ohne sehr konkrete Angaben werde man dem Träger in der Regel nichts nachweisen können". Die Anzeige sollte z.B. über einen Gewerkschaftssekretär erfolgen, empfiehlt die Recherchegruppe, um Racheakte der betroffenen Träger auszuschließen: Im Wege der Akteneinsicht kann der Beschuldigte nämlich sonst erfahren, wer Anzeige erstattet hat. Besonders einfach geht das über eine kostenlos erreichbare Hotline der IG Bau, Telefon 0800-4422802. ----------------------------------------------------------------- Hintergrundinformation zum Eintreten der Sozialversicherungspflicht Wenn jemand für einen Anderen nach dessen Anweisungen Arbeit macht, für die üblicherweise Lohn gezahlt wird, ist - wenn nichts anderes vereinbart ist - "konkludent" (durch schlüssiges Handeln) ein Arbeitsvertrag zustandegekommen. Beim 1 Euro Jobs wird dies durch SGB2 ausgeschlossen. Allerdings nennt SGB2 (inklusve Erlasse und Urteile) Bedingungen (Erforderlichkeit, Zusätzlichkeit, Wettbewerbsneutralität). Auf diese Bedingungen werden in Erlangen und Nürnberg interessierte Arbeitgeber von der GGFA bzw. NOA in Faltblättern auch hingewiesen. Werden diese Bedingungen verletzt (illegaler Missbrauch), handelt es sich nach Meinung der Recherchegruppe nicht mehr um 1 Euro Jobs im Sinne des SGB2, weil der Rechtsrahmen des SGB2 verlassen wird. Mit anderen Worten kommen "faktische Arbeitsverhältnisse" zustande. Dies sei mit mehreren Experten abgeklärt worden. Selbst diejenigen Juristen, die bei Missbrauch das Zustandekommen eines Arbeitsvertrags verneinen, sähen zumindest einen "öffentlich rechtlichen Erstattungsanspruch" in Höhe eines angemessene Lohns. Beispiele: Nicht wettbewerbsneutral: Altersheim kündigt Gebäudereinigungsfirma und lässt ab da 1 Euro Jobber putzen. Oder ein Gartenbauamt setzt 1 Euro Jobber für Tätigkeiten ein, für die Rechnungen ausgestellt werden. Nicht zusätzlich: Stelle im Kindergarten wird nicht wiederbesetzt, stattdessen wird eine 1-Euro Jobberin als "Hilfs-Kinderpflegerin" eingesetzt. Oder 1-Euro Jobber erledigen notwendige Arbeiten, vertreten einen kranken regulär angestellten Kollegen. In solche Fällen könne Lohn eingeklagt werden, und es seien Sozialabgaben fällig. Für die Sozialabgaben ist nicht der gezahlte, sondern der geschuldete Lohn entscheidend. Bleibt der Arbeitsgeber einen Teil des Lohnes schuldig, muss er auf den nicht gezahlten Lohn dennoch Sozialabgaben zahlen (sogenannter "Phantomlohn"). Z.B. erhielt ein Arbeiter am Bau in Teilzeit 400 Euro im Monat, sein Stundenlohn lag aber unter dem Baumindestlohn. Die Prüfer bestanden darauf, daß Sozialabgaben gezahlt werden. Wegen Lohnzahlung für 1 Euro Jobs laufen bereits Klagen mit Unterstützung von verdi, z.B. in Weiden. Dass Sozialabgaben fällig sind, sei vermutlich in genau dieser Konstellation noch von keinem Gericht entschieden worden, aber die "Missbraucher" von 1 Euro Jobs gingen ein sehr hohes Risiko ein, dass sie ein Musterverfahren an den Hals bekommen.